Grelle Kegelbahn des Lebens
Ferdinand Raimunds „Bauer als Millionär“ in Gutenstein: Traditionell, verkitscht, aber schwungvoll.
So ein Premierenpublikum ist ja meist ein schwer zu bändigendes Häufchen. Regisseur und Intendant Ernst Wolfram Marboe versucht es in Gutenstein mit einer Zeremonienmeisterin in Gold, die mit einem strengen Handzeichen Ruhe erbittet und einer Ouverture aus der Konserve Gehör schafft. Ferdinand Raimunds Autogramm flirrt in mehrfacher Ausführung als Projektion über den Vorhang für alle, die im Raimund-Gedenkort Gutenstein noch immer nicht wissen, um wen allein es sich dreht. Wie ein Stummfilm, begleitet mit Klaviermusik.
Strauß-Melodien haben sich hier in Raimunds Zaubermärchen verirrt ein schwungvoller Abstecher ins flitterglitzernde Feenreich. Da flattern lebhaft die Libellen, für Regisseur Marboe wohl Sinnbild der feenhaften Zauberwelt. Überhaupt ist die Inszenierung nicht reich an Experimenten, sehr traditionell, so, wie man Raimund vielleicht schon im Theater der Jugend gesehen hat: Der Hass (Andreas Steppan) leuchtet rot, der Neid (August Breininger) ist gelb und fingert an Plastiknattern.
Hintergrundbilder im Stil von „Röhrender Hirsch im Tale“ wechseln sich ab mit naiven Biedermeier-Kulissen, die Ausleuchtung (zum Beispiel auf der Kegelbahn) ist oft allzu bunt geraten und im Haus von Hexe Kniesebein wohnt die Zufriedenheit. Luzia Nistler spielt sie gar lieblich-fraulich-patent.
Christian Futterknecht ist ein dynamisch-bewegender Fortunatus Wurzel, überzeugt und unterhält als reuiger Aschenmann wie als neureicher Rabenvater. Irene Halenka gibt ein naives Dirndl-Lottchen. Gottfried Schwarz spielt den schwäbischen Magier Ajaxerle wie eine papageifarbenes Aufziehfigur. Die Jugend (Rita Nikodim) ist zuckerlrosa und etwas schrill. Ernst Grissemann nützt die dankbare Rolle des Hohen Alters gut.
Die Inszenierung verlässt sich stark auf elektronische Spezialeffekte, was in dem Ausmaß gar nicht nötig wäre. Bei der Masse an Musikzitaten fragt man sich frei nach Fortunatus Wurzels Spruch „Bin ich im Narrenturm oder zuhaus?“: „Bin ich im Don Giovanni oder beim Raimund?“ Trotzdem: Ein unterhaltsamer Theaterabend, vor allem wegen der Schauspieler.
Christina Böck (Die Presse, 26. Juli 2003)
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Materialismus als Zerstörer
Alle Stücke Raimunds haben eine Botschaft, und meist geht es darum, dass Geld und Macht nicht zum Glück beitragen. Doch so stark wie Der Bauer als Millionär zeigt wohl kein anderes, dass Materialismus alles Schöne, Gute, Wertvolle im Leben zerstört.
Gerade dieses Stück zum 10-Jahr-Jubiläum der Raimundspiele Gutenstein zu wählen ist ein besonders ich möchte fast sagen raffinierter Einfall von Ernst Wolfram Marboe, der seit dem Jahr 2000 die Geschicke der Spiele lenkt (gegründet wurden sie 1993 von Peter Janisch) und für das riesige Zelt sorgte, das vor Regen schützt. Was bei der heurigen Jubiläumspremiere wieder einmal sehr nötig war. Mit unverwechselbarem, zauberhaftem nostalgisch-naivem Stil setzte er das wunderbare Märchen in Szene und legte so die Schönheit der Geschichte bloß, brachte die Kernaussage zum Strahlen: Liebe, Liebe ohne Vorbehalt, dann wird alles plötzlich ganz einfach.
Besonders reizvoll kommt dies in der Darstellung der Zufriedenheit durch Luzia Nistler zum Ausdruck. Ihre Selbstverständlichkeit, ihre Frische, ihre Natürlichkeit machen sie unwillkürlich zum Mittelpunkt des Geschehens. Ähnliches bei Rita Nikodim als Jugend: Sie verzichtet auf allzu burschikoses Gehabe, ihr Abschied von Fortunatus hat obschon sie jede Sentimentalität vermeidet etwas Zärtliches. Reizend das Liebespaar Irene Halenka und Jakob Seeböck.
Im Feenreich hat die souveräne, sensible Erika Mottl (Lakrimosa) das Sagen, flankiert unter anderen von Eva Vaskovich-Fidelsberger, Michaela A. Marboe, Anna Fischer, Saskia Fanta, Andrea Schlor, Philipp Scharmitzer, Dietmar Scharmitzer und den beiden grazilen Tänzerinnen Iliana Chivarova und Maria Macho.
Ein packender, bewegender, berührender und auch humorvoller Fortunatus Wurzel ist Christian Futterknecht. Nicht minder stark seine Partner: Ernst Grissemann als dominierendes Hohes Alter, Andreas Steppan als geschmeidiger Hass, Gottfried Riedl als hinterhältiger Diener Lorenz, August Breininger als sehr profilierter Neid (und schön singender Musensohn), Gottfried Schwarz als köstlicher Ajaxerle, Johannes Wolf als widerwärtiger Saufkumpan.
Eine Theaterproduktion, welche die ganze Familie genießen kann, die unterhält, aber auch durchaus zum Nachdenken anregt.
Lona Chernel (Wiener Zeitung, 30. Juli 2003)
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